Maratona dles Dolomites 2010 am 04.07.2010

- Bericht: Werner Metzner -


Wie alles begann

Zum Jahreswechsel 2001/2002 habe ich mit meinen Freunden Stephan und Andreas eine Radreise in die Alpen geplant. Bei den Recherchen im Internet ist uns dann zufällig die Maratona ins Auge gefallen. "Wäre doch mal ein netter Abschluss einer solchen Radwoche". Gesagt, getan und Startplätze waren Mitte Januar noch jede Menge übrig. Das war 2002. Dann das Ganze 2004 und 2009 noch einmal wiederholt (weil's so schön war). Inzwischen ist die Maratona eines der beliebtesten Volksradsportereignisse in Europa und es gehörte eine Menge Losglück dazu, einen der Startplätze zu ergattert. Gemeinsam mit meinen Freunden Ernst und Hartmut ging es dann Ende Juni nach Italien. Geplant war also eine ganze Woche Radfahren in den Dolomiten und am letzten Sonntag die Maratona als „Sahnehäubchen“.

© sportograf.com

Die Hinfahrt war einigermaßen stressfrei und wir haben abends unsere Pension in Colfosco/Kolfuschg (1) im Alta Badia erreicht. Super Ferienwohnung: Ernst und ich im Kinderzimmer und Hartmut in der Fürstensuite, zwei Bäder, ein Fernseher (wichtig wegen Fußball-WM) und ein Super-Blick auf die Sella-Gruppe. Das Programm für die Woche war also klar: Aufstehen, Frühstücken, Radfahren, Duschen, Abendessen und Fußball-WM gucken - so einfach kann die Welt für uns Männer sein…
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(1) Das Alta Badia ist dreisprachig: Italienisch ist die Amtssprache, aber Ladinisch (ein Rätoromanischer Dialekt) und Deutsch werden auch gesprochen und in den Schulen gelehrt. Untereinander spricht man Ladinisch.

Die Woche war einfach fantastisch, Superwetter mit viel Sonne, außer einigen spätabendlichen Gewittern kein Regen, insgesamt 400 km und 11.400 Höhenmeter. Hier einige Eindrücke von dieser Woche:

Aber eigentlich wollte ich ja von der Maratona dles Dolomites berichten…

Die Maratona

Die Maratona wird in La Villa im Alta Badia gestartet. Startzeit ist 6:30 Uhr, die Teilnehmer werden nach ihren früheren Ergebnissen in die Startgruppen eingeteilt. Ich befand mich wegen meiner 6:59 Std von 2009 relativ weit vorn in der „Pinarello“ Startgruppe.

Streckenführung

Die Maratona kann in den 3 „Geschmacksrichtungen“ leicht, mittel und schwer genossen werden. Man kann sich also auch noch unterwegs – je nach Tagesform – für eine kürzere Strecke entscheiden. Das ist wesentlich angenehmer als beim Ötztaler, bei dem es kein Abkürzen gibt. Wer da schwächelt, der muss mit dem Besenwagen ins Ziel. Für mich war das der Hauptgrund, warum ich mich so lange vorm Ötztaler gedrückt habe. 250 km und 5.500 Höhenmeter sind schon gewaltig und in den Besenwagen wollte ich auf keinen Fall. Schließlich habe ich es dann 2008 trotzdem geschafft – aber das ist eine andere Geschichte.

Streckenprofil

Zurück zur Maratona. Ab La Villa geht es im Uhrzeigersinn einmal um die Sella-Ronda herum. Die leichte Strecke endet dann in Corvara nach 55 km und 1.780 Hm.Wer mehr will fährt noch einmal über den Campolongo-Pass und dann über den Falzarego-Pass zurück nach Corvara und hat dann im Ziel 106 km und 3.090 Hm auf der Uhr, und die ganz Harten fahren an der Einfahrt zum Falzarego vorbei und noch einmal 15 km Richtung Osten um dann über den Giau-Pass und den Falzarego-Pass ins Ziel zu fahren. Dann sind es 138 km und 4.190 Hm.

Strecke Länge Höhenmeter Steigung
Start --> Campolongo 9,839 km 425 Hm 4,3 %
Arrabba --> Passo Pordoi 9,318 km 635 Hm 6,8 %
Canazei --> Passo Sella 5,574 km 419 Hm 7,6 %
Selva di Valgardena --> Passo Gardena 5,716 km 235 Hm 4,2 %
Corvara --> Passo Campolongo 6,243 km 341 Hm 5,5 %
Arrabba --> Col Sa.Lucia 2,169 km 154 Hm 7,3 %
Selva di Cadore --> Passo Giau 9,832 km 889 Hm 9,1 %
Pocol --> Passo Falzarego/Valparola 12,56 km 661 Hm 5,3 %
La Villa --> Corvara/Ziel 5,601 km 136 Hm 2,4 %

Meine Maratona

Ab La Villa geht es zunächst ganz leicht mit 3% Steigung nach Corvara, also genau das Richtige zum warmfahren, denn auf 1.600 Metern Höhe ist es morgens um 6:00 noch ziemlich frisch. Kurz hinter Corvara geht es dann in den Campolongo-Pass, der ist mit 6,15 km Länge und 315 Höhenmetern noch keine echte Herausforderung. Ich schwimme hier und in der gesamten ersten Runde immer in der Masse mit. Nicht schneller, aber auch nicht langsamer. Es gilt hier Körner zu sparen, denn das dicke Ende kommt ja noch.

Gleich fällt der Startschuss

Es geht dann über eine tolle Abfahrt hinunter nach Arabba. Bereits hier, am Fuß des Pordoi-Passes, wandert die Windweste in die Trikottasche, denn die Sonne kommt jetzt raus und es wird langsam warm. Der Pordoi-Pass ist einer meiner Lieblingspässe. Er ist zwar mit durchschnittlich 7% nicht wirklich flach, aber die Steigung ist hier sehr gleichmäßig, das mag ich gerne. Ausserdem ist hier die Landschaft einfach nur schön. Man kann ab Arabba fast alle 34 Kehren bis zum Pass einsehen. Ein schönes weites Tal und rechter Hand immer das riesige Sella-Massiv.

Die Abfahrten waren sehr angenehm zu fahren

Nach 1:40 bin ich dann oben am Pordoi-Pass, Weste wieder angezogen und ab in die Abfahrt. Der nächste Pass ist dann der Sella-Pass. Der ist deutlich giftiger als der Pordoi-Pass. Es geht hier über einige Kilometer immer 8 - 10% hoch und es gibt ein paar Rampen mit (gefühlten) 15%. Der letzte Pass der Sella-Runde ist schließlich der Pass zum Grödner Joch. Er ist recht flach und leicht zu fahren und vom Grödner Joch geht es über eine wunderschöne Abfahrt zurück nach Corvara.

Nur selten flach und leicht zu fahren

Die Abfahrten waren in diesem Jahr übrigens sehr angenehm zu fahren. Es gab weder Kamikaze-Fahrer noch Dauerbremser, es wurde in der Regel sehr diszipliniert gefahren. Das war in den früheren Jahren anders. Es hat bei der Maratona schon Unfalltote gegeben. In Corvara geht es dann am Ziel vorbei in den nächsten Abschnitt. Noch einmal über den Campolongo-Pass, hinunter nach Arabba und dort aber nicht rechts zum Pordoi, sondern links in Richtung Livinallongo. Eine 15 km lange Abfahrt auf der man eigentlich in der richtigen Gruppe einen 40er Schnitt fahren kann. Ich bin aber schon etwas müde und halte mich lieber etwas zurück.

Den Abzweig zur mittleren Runde lasse ich auch links liegen und fahre weiter Richtung Giau-Pass. Auf dem Weg dahin gilt es noch den kleinen Colle di Santa Lucia zu überwinden. In der Auffahrt habe ich eine Truppe Radfahrer vor mir, alle in schicken Trikots des Italienischen Fernsehens RAI. Und einer der Fahrer ist doch tatsächlich Mario Cipollini. Mario war ja am Berg nie besonders stark und wird daher von mir locker überholt ;-)

OK, OK, er wird sich wohl dem Tempo seiner Mitfahrer angepasst haben und ist nur mit einem Bein gefahren…

Oben am Pass gibt es wieder Verpflegung. Ich hole was zu trinken, kaue den 4 Power-Bar und gehe noch mal in die Büsche, denn jetzt kommt der Giau-Pass, da will ich kein Gramm zu viel nach oben schleppen.

Der Passo-Giau ist an sich schon gemein: 9,1% Steigung über knapp 10 km im Durchschnitt und fast keine Möglichkeit sich mal auszuruhen. Es sind immer mindestens 8%. Richtig böse ist, dass man am Passo-Giau schon 90 km und 2.200 Hm in den Beinen hat. Eigentlich fängt die Maratona hier erst richtig an. Bei meiner ersten Teilnahme 2002 begann hier das große Sterben. Die Brücken waren voll mit erschöpften Radlern, die sich auf dem Rad sitzend am Brückgeländer festgehalten haben. Denn wenn man am Giau kaputt und einmal aus den Pedalen raus ist, dann kommt man da kaum wieder rein.

Ich fühle mich aber ob meiner Zurückhaltung noch recht wohl und fahre langsam (8,8 km/h) aber stetig hoch und überhole massenweise. Insgesamt werde ich mich am Ende von Platz 2.744 am Campolongo (km 60) auf Platz 2.206 im Ziel vorgearbeitet haben.

Mal ganz abgesehen von den körperlichen Qualen - der Passo-Giau ist wirklich wunderschön: Im unteren Teil schlängelt sich die Strasse mal rechts, mal links an einem kleinen Fluss entlang und im oberen Teil hat man immer wieder grandiose Ausblicke auf den Marmolada-Gletscher.

Auf der Passhöhe gibt es wieder einen Verpflegungspunkt und dann geht es in die lange Abfahrt nach Pocol und schließlich in den letzten echten Berg hinauf zum Falzarego-Pass. Diesen Pass mag ich eigentlich sehr gerne, heute kommt er mir aber irgendwie länger vor. Es ist jetzt richtig heiß und ich merke, dass meine Oberschenkelmuskeln so langsam hart werden. Ich muss mich jetzt vorsehen, dass daraus kein echter Krampf wird.

Richtig fies ist übrigens, dass der Falzarego-Pass nicht wirklich der höchste Punkt der Straße ist. Es geht noch einmal ca. 1 km bei ca. 10% zum Valparolo-Pass hoch. Das tut noch einmal richtig weh.

Die folgende Abfahrt nach La Villa ist Genuss pur. Leider gibt es dann noch die letzten 5 km von La Villa nach Corvara. Die 3% Steigung, die ich am Morgen noch als angenehm für das Warmwerden empfunden habe, sind jetzt nicht mehr so schön. Zum Glück finde ich aber noch eine gute Gruppe, die sich gegenseitig diese letzten Kilometer den Berg hochzieht.

In Corvara geht es dann kurz rechts in die Strasse nach Kolfuschg und dann links auf die Zielgerade. Spurt geht nicht mehr wirklich (wäre auch albern), aber für ein kleines Lächeln hat die Kraft noch gereicht.

Erschöpft aber glücklich am Ziel

Fazit: Super-Veranstaltung, grandios organisiert. Für das Startgeld von 70 EUR gibt es tolle Verpflegung unterwegs, zusätzlich ein Trikot, Verpflegungsgutscheine für den Zielbereich und in diesem Jahr eine Winterweste, die alleine schon 50 EUR wert ist.

Die nächste Maratona findet am 10. Juli 2011 statt. Für die Anmeldung muss man Losglück haben. Die Anmeldung läuft in der Regel ab Mitte Oktober des Vorjahres auf der Internetseite "www.maratona.it".